Donnerstag 12. Dezember 2024

Bischof Ludwig Schwarz zur Nahostsynode in Rom

Nachfolgend die Ansprache vom 11. Oktober 2010 von Bischof Ludwig Schwarz zur vom Papst einberufenen Bischofsynode über den Nahen Osten im Wortlaut.

Die eindruckvollen Texte und Bilder haben uns jene Länder vor Augen geführt, in denen unsere christlichen Schwestern und Brüder unter verschiedenen, aber doch durchwegs schwierigen Verhältnissen leben. Um ihre Existenz und ihren Verbleib im Orient zu sichern, wurde gestern mit einem festlichen Gottesdienst die Nahost-Synode in Rom eröffnet, zu der Papst Benedikt XVI. eingeladen hatte. Bis zum 24. Oktober werden die Bischöfe der katholischen Kirchen des Nahen Ostens, aber auch Vertreter der orthodoxen Kirchen, des Judentums und des Islam, ebenso Fachleute, insgesamt mehr als 300 Personen, beraten und versuchen, Wege in eine friedliche Zukunft zu finden.
Wir können uns fragen, was diese Synode für die Christen im Nahen Osten uns angeht? Warum betrifft sie auch uns? Warum haben wir uns versammelt, um den Heiligen Geist anzurufen, damit die Synode gute Früchte bringt?
1. Im Orient liegen die Wurzeln unseres Glaubens. Dort haben die Propheten des Alten Bundes gelebt; dort gingen ihre Verheißungen in Jesus Christus in Erfüllung, der im Heiligen Land gelebt, gestorben und auferstanden ist. Dort hat sich zuerst der christliche Glaube eingewurzelt. Wir leben von diesen Wurzeln, die nicht absterben dürfen. Es wäre ein Schaden für den ganzen Baum.
2. Im Orient stand die Wiege unseres Christentums. Durch die Jahrhunderte hindurch bis zum heutigen Tag haben im Heiligen Land und in den benachbarten Ländern die Christen den Glauben an Jesus Christus gelebt und auch unter widrigen Umständen bezeugt. Eine Vielfalt von steinernen Denkmälern erinnert an ein blühendes Christentum in diesen Ländern. Die Christen aber sind die lebendigen Steine, die den Glauben durch die Zeiten getragen haben. Die Wiege des Christentums darf nicht leer werden. Eine Wiege ist Symbol des Lebens und nicht des Sterbens!
3. Vom Orient gingen die Apostel in die damals bekannte Welt und verkündeten die Frohe Botschaft. Dort schrieben sie jene Bücher, aus denen in unseren Gottesdiensten vorgetragen wird. Wenigstens jeden Sonntag schöpfen wir aus den Quellen, die im Orient ihren Ursprung haben und die in uns neues Leben wecken möchten. So lebt unser christlicher Glaube aus den Anfängen, die im Orient liegen.
 
Deshalb muss uns der Verbleib der Christen im Orient eine Sorge sein, die unsere Solidarität fordert und uns fragen lässt: Was können wir tun? Die Nahost-Synode wird diese Frage nicht nur für die Bischöfe des Orients, sondern für die ganze Weltkirche stellen.
Welche konkreten Ziele werden in der Arbeitsunterlage, die den Synodalen vorliegt, angestrebt?
1. Das erste Ziel und die erste Forderung wird sein: Die Christen müssen eins sein. Wir haben in der Lesung aus der Apostelgeschichte eine Schilderung des gemeinschaftlichen Lebens in der urchristlichen Gemeinde Jerusalems gehört: Sie waren „ein Herz und eine Seele". Dieses Ideal, das ja Jesus Christus seinen Jüngern aufgetragen hat, soll angestrebt und verwirklicht werden. Die Christen sind den Ländern des Orients eine Minderheit, die dazu noch geschwächt ist durch viele Trennungen, die einerseits kulturell bedingt sind, andrerseits aber im menschlichen Versagen ihren Grund haben. Die Trennungen sollen überwunden werden. Dieses Anliegen betrifft nicht nur die Zusammenarbeit der verschiedenen katholischen Kirchen, sondern auch das Miteinander mit den orthodoxen Kirchen, mit denen wir durch denselben Glauben an Christus und dieselben Sakramente verbunden sind. Die innere Einheit in demselben Heiligen Geist soll ihren äußeren Ausdruck finden in der konkreten Zusammenarbeit. Geeint sind die Christen auch einer widrigen Umwelt gegenüber stärker.
2. Die zweite bedrängende Frage ist das friedliche Miteinander mit den Muslimen und dem jüdischen Volk. Seit einem halben Jahrhundert ist das Verhältnis zueinander empfindlich gestört, so dass in vielen Ländern des Orients die Christen durch fundamentalistische Strömungen unterdrückt oder gar verfolgt werden. Wie aus dem Arbeitspapier hervorgeht, wird die Nahost-Synode versuchen, zu einem Miteinander einzuladen und die Christen zu ermuntern, ihren unersetzlichen Beitrag dafür zu leisten. Dies wird nur gelingen in gegenseitiger Achtung und auf der Basis der Menschenrechte, die die Gleichheit aller Bürger eines Landes sicherstellen wollen. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn sich die Christen aufgrund ihres Glaubens ihrer unersetzlichen Aufgabe bewusst werden und durch eine klare Haltung den Muslimen und Juden gegenüber ihren Dienst der Versöhnung anbieten und dazu einladen. Ohne Versöhnung wird es im Nahen Osten keinen Frieden geben.
3. Die Nahost-Synode hat als weiteres Ziel, die Auswanderung der Christen aus den Ländern des Orients zu stoppen. Sie haben oft allen Grund, ihre Heimat zu verlassen: die schlechte wirtschaftliche Lage, die Benachteiligungen in gesellschaftlicher Hinsicht, die Bedrängnisse und Verfolgungen. Meistens bezahlen sie die Auswanderung mit einen hohen Preis: den Verlust ihrer Heimat und nicht selten auch den Verlust ihres Glaubens. Die Christen im Orient müssen begreifen, dass sie in ihrer Heimat eine unersetzliche Aufgabe haben. Sie müssen aber ebenso in ihrer Heimat die Solidarität ihrer Glaubensbrüder und —schwestern der Weltkirche spüren, nicht nur in Worten, sondern ebenso in tatkräftiger Hilfe.
Brüder und Schwestern! Die Nahost-Synode hat sich eine große Aufgabe gestellt. Die Probleme scheinen schier unüberwindlich zu sein. Die Bischöfe brauchen einen mutigen Blick in die Zukunft. Sie müssen sich von vielen eingefahrenen Wegen lösen und neue Wege beschreiten. In ihnen muss der Glaube lebendig sein, dass sie mit Christus stärker sind als alle Widrigkeiten. In ihnen muss eine Hoffnung lebendig sein, auch wenn man noch keine Zukunft sieht. Der Heilige Geist weiß immer noch einen Weg, auch wenn für uns die Lage aussichtslos erscheint. In ihnen muss die Liebe lebendig sein, die zusammenführt und stark macht.
Deshalb beten wir in dieser Stunde um den Heiligen Geist für die Teilnehmer an der Nahost-Synode. Der Heilige Geist erfülle unseren Heiligen Vater und die versammelten Bischöfe und Fachleute. Er zeige ihnen seine Wege und erfülle sie mit Tatkraft, diese Wege auch zu beschreiten.
Der Heilige Geist öffne aber auch unsere Augen und unser Herz, damit wir unsere Verantwortung erkennen.
Komm, Heiliger Geist! Amen.
 

Offizielle Bilder zum Download Bischof Schwarz
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