Donnerstag 28. März 2024

Bischof Aichern bei Weltkriegsgedenken: Schuld und Herausforderung der Kirchen

Bischof Maximilian Aichern_ Bad Ischl _2014_07_28 © Günther Madlberger

Die Stadt Bad Ischl lud am Montag, 28.7.2014 zu einer "Gedenkfeier anlässlich der 100. Wiederkehr der Kriegserklärung in Ischl" ins Theater- und Kongresshaus Bad Ischl. Am Morgen des 28. Juli 1914 unterschrieb Kaiser Franz Joseph in seinem Arbeitszimmer in der kaiserlichen Villa in Bad Ischl am Schreibtisch mit einem Federkiel die Kriegserklärung an Serbien.

Gedenkfeier Bad Ischl 2014_07_28  © Günther Madlberger

v.l. Dr. Peter März (Kurator Weltkriegsausstellung Bad Ischl), Hannes Heide (Bürgermeister Bad Ischl), Ivo Komsic (Bgm. Sarajevo),  György Gemesi (Bgm. Gödöllö), Bischof em. Maximilian Aichern.

 

Bischof em. Maximilian Aichern OSB sprach bei der Gedenkfeier anlässlich des Gedenkens zur 100. Wiederkehr der Kriegserklärung Österreichs an Serbien durch Kaiser Franz Joseph I. in Ischl. Bürgermeister Hannes Heide begrüßte bei der Gedenkfeier neben Bischof Aichern den Historiker Dr. Peter März sowie den Bürgermeister von Sarajevo Dr. Ivo Komsic.
Diözesanbischof Dr. Ludwig Schwarz sprach deutlich die Rolle der christlichen Kirchen im Ersten Weltkrieg bei der Eröffnung der ökumenischen Sommerakademie am 9. Juli 2014 in Kremsmünster an.

 

Gedenkfeier 28. Juli 1914 Bad Ischl © Reinhard Hörmandinger
Gedenkfeier 28. Juli 1914 Bad Ischl © Reinhard Hörmandinger
Gedenkfeier 28. Juli 1914 Bad Ischl © Reinhard Hörmandinger

 

Gedenkveranstaltung in Bad Ischl vor dem Kongresszentrum und in der Gedenkausstellung in der Trinkhalle Bad Ischl mit v.l.: Bischof em. Maximilian Aichern, Hannes Heide (Bürgermeister Bad Ischl), Ivo Komsic (Bgm. Sarajevo), György Gemesi (Bgm. Gödöllö).

Rede von Bischof em. Maximilian Aichern OSB im Wortlaut

 

anlässlich des Gedenkens am Montag, den 28. Juli 2014, zur 100. Wiederkehr der Kriegserklärung Österreichs an Serbien durch Kaiser Franz Joseph I. in Ischl:

"Es ist wohl viel Fingerspitzengefühl notwendig, wenn wir vergangene Zeiten nach heutigen Wertmaßstäben und Erfahrungen beurteilen. Aber wir können nicht darauf verzichten, zu den Ereignissen, die vor 100 Jahren den Ersten Weltkrieg ausgelöst haben, Stellung zu nehmen und als Vertreter der Kirchen in „Wahrhaftigkeit und Scham“ das Versagen der damaligen kirchlichen Amtsträger und vieler Christen einzugestehen. Wie fast alle gesellschaftlichen Kräfte – so heißt es in einer Presserklärung der Österreichischen katholischen Bischofskonferenz – wurden auch die Kirchen und Religionsgemeinschaften damals von der Kriegsbegeisterung erfasst und waren massiv in die Ideologie des Krieges verstrickt.

Als Wurzeln des Krieges nennen Österreichs Bischöfe einen Nationalismus, der zum Religionsersatz geworden war, Hass, Verachtung und Arroganz gegenüber anderen Völkern, die Anmaßung absoluter Macht über Leben und Tod sowie massive Gerechtigkeitsdefizite. Es wurde auch im Kirchenbereich das zu wenig beachtet, was von den späteren Päpsten, besonders Johannes XXIII. und vom II. Vatikanischen Konzil als Säulen des Friedens hervorgehoben wurden, nämlich Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und Freiheit.

Wir müssen auch ehrlich zugeben, dass die Kriegsmoral auch mit Hilfe der Religion hochgehalten worden ist. Es gab in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie etwa 4.000 Militärgeistliche, davon ca. 3.500 katholische. Ich kann mich erinnern, dass es in meinem Heimatkloster St. Lambrecht-Mariazell in der Steiermark in der Zeit, als ich Theologiestudent und junger Pater war, noch mehrere ehemalige Militärpfarrer unter den Mitbrüdern gab, die von den Problemen der Kriegszeit und der Seelsorge für die Soldaten erzählten. Über 15 Millionen Soldaten und Zivilisten starben im Ersten Weltkrieg. Der Krieg hat unsagbares Leid über unzählige Menschen gebracht, an den Kriegsschauplätzen und in den Heimatländern.

Patriotismus und – zum Teil freudige – Zustimmung zum Krieg kennzeichnen manche Hirtenbriefe der Bischöfe dieser Zeit in unserem Land und finden sich in vielen Predigten und kirchlichen Veröffentlichungen. Glocken und Kupferdächer der Kirchen wurden zur Verfügung gestellt, viele Kriegsanleihen von Diözesen, Klöstern und der Bevölkerung gezeichnet, und kirchliche Gebäude zu Lazaretten umgewidmet. Man sprach von einem „gerechten Krieg“ und sah darin oft auch ein „Strafgericht Gottes“, was Umkehr bewirken sollte. Der Linzer Bischof Rudolf Hittmair – wie alle österreichischen Oberhirten vom Kaiser ernannt – schreibt am 29. Juli 1914: „Mit jubelnder Begeisterung hat ganz Österreich erfüllt das entscheidende Wort: Es ist Krieg! Alle Völker und Nationen, alle Stände, alle sind Eins, alle geeint zu flammender Hingebung von Gut und Blut fürs Vaterland Österreich“. Man darf aber auch nicht vergessen, dass Bischof Hittmair am 1. August 1914 die Amtsgeschäfte seinem neu ernannten Generalvikar Balthasar Scherndl übergab und sich der Krankenpflege bei den Barmherzigen Brüdern in Linz, bei den Verwundeten und Kriegsopfern, widmete. Er starb am 5. März 1915 an Flecktyphus, den er sich bei der Pflege von Erkrankten im Gefangenenlager Mauthausen, wo vor allem Serben und Italiener interniert waren, geholt hatte.

Der Nationalismus bei den kriegsführenden Nationen – auch bei den Christen und den Amtsträgern – verhinderte eine wirksame Unterstützung der Friedensbemühungen der Päpste. Papst Pius X. war zutiefst erschüttert über den Ausbruch des Krieges. Er rief zu Gebetsstunden auf, dass die gefährlichen Fackeln des Krieges gelöscht und den Verantwortlichen der Völker Gedanken des Friedens eröffnet würden. Sein am 3. September 1914 gewählter Nachfolger Benedikt XV. verdammte von Anfang an den Krieg und startete Friedensbemühungen, vor allem 1917 eine große Friedensinitiative mit konkreten Vorschlägen, mit der er Kurienerzbischof Pacelli, den späteren Papst Pius XII., nach Deutschland sandte, damit er sie unterbreite. Leider hatte die Initiative keinen Erfolg, sie war aber von da an maßgebend für die vatikanischen Friedensbemühungen bis in unsere Zeit.

Nicht vergessen darf auch werden, dass sich eine christliche Minderheit intensiv damals für den Frieden einsetzte. Dazu gehörte die eine Woche vor Kriegsbeginn verstorbene Friedensnobelpreisträgerin Berta von Suttner, die 1890 die Österreichische Friedensgesellschaft und gemeinsam mit dem Pädagogen Alfred Hermann Fried 1892 die Deutsche Friedensgesellschaft gründete. Es gab mehrere Weltfriedenskongresse. Am 1. August 1914 trafen sich 90 kirchliche Delegierte aus 12 Ländern in Konstanz am Bodensee, um den drohenden Krieg zu verhindern. Der Kongress war erfolglos und musste wegen des Ausbruchs des Krieges abgebrochen werden. Am Bahnhof gaben sich der deutsche evangelische Pfarrer Friedrich Sigmund Schultze und der britische Quäker Henry Hodgkin das Versprechen, Krieg und Gewalt nicht zu rechtfertigen und sich nicht gegenseitig aufhetzen zu lassen. Es war der Beginn einer internationalen Friedensbewegung, aus der nach Kriegsschluss 1919 der Internationale Versöhnungsbund entstand, wo sich später bis heute die Österreicherin Hildegard Goss-Mayr und ihr jetzt bereits verstorbener Gatte sehr engagierten.

Gestern Abend fanden in ganz Österreich Gebetsstunden statt, wo der Toten der Weltkriege gedacht, für den Frieden gebetet und die Bereitschaft erneuert wurde, selbst Werkzeug des Friedens und der Versöhnung zu sein. Es ist ein positives Zeichen, dass Europa gelernt hat, dass es nur miteinander geht. Dass dies aber immer noch keine Selbstverständlichkeit ist, zeigt die bedauerliche Entwicklung im Ukraine-Konflikt. Es ist nach wie vor wichtig, dass wir uns aktiv für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen und gegen jeden aufkeimenden Nationalismus auftreten. Gedenkfeiern und Zeichen der Versöhnung wie diese Veranstaltung sind dazu ein wichtiger Beitrag. Wir bitten um Vergebung, dass wir als Kirchen entgegen dem Auftrag Jesu oft auf Seiten der Kriege und der Gewalt und nicht auf Seiten von Gewaltlosigkeit und Friedensstiftung gestanden sind. Papst Franziskus hat am heurigen 1. Jänner, dem Weltfriedenstag, zur Geschwisterlichkeit unter den Völkern aufgerufen. Sie ist das Fundament und der Weg des Friedens, sie könnte die Armut besiegen, weltweite Gerechtigkeit ermöglichen sowie Kriege und Terror auslöschen.

Im Sozialwort des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich vom Jahr 2003 wird betont: „Es braucht ein gemeinsames Aufarbeiten der Geschichte, Begegnungen über Grenzen hinweg und Eingeständnis von Schuld, um ein gemeinsames Europa der Zukunft zu bauen“. Die Kirchen tragen auch Mitschuld an der Unrechts- und Leidensgeschichte Europas. Die Kirchen sind aber aufgrund des Evangeliums in besonderer Weise herausgefordert, die ihnen geschenkte Kraft zur Vergebung, Läuterung und Neubeginn in den Dienst der Einigung und Versöhnung Europas, und man muss sagen, der ganzen Welt, zu stellen. Wir Kirchen wollen Brücken bauen zwischen den Menschen, Brücken des Friedens in Gerechtigkeit, des gegenseitigen Verstehens, des Dialogs und der weltweiten Zusammenarbeit."

 

 

gec

 

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