Montag 25. November 2024

Was Menschen bewegt: Katholische Kirche in OÖ richtet sich danach aus

Diözesanforum 22.11.2014 © Diözese Linz

165 Delegierte aus allen Räten der Katholischen Kirche in OÖ kamen am 22.11.2014 zum Diözesanforum im Bildungshaus Schloss Puchberg zusammen.

Das Diözesanforum – die Zusammenkunft aller diözesanen Räte und Entscheidungsgremien (Pastoralrat, Dechantenkonferenz, Priesterrat, Frauenkommission, Konsistorium, Rat der ständigen Diakone) - versammelt sich bei besonderen Meilensteinen der Diözesangeschichte, um wesentliche Weichenstellungen mitzubestimmen.

 

 

Diözesanforum 22.11.2014 © Diözese Linz

 

Wahrnehmen, was Menschen heute beschäftigt, diese Erfahrungen im „Licht des Evangeliums“ reflektieren und danach das pastorale Tun ausrichten. Diesen Weg beschreitet die Katholische Kirche in OÖ seit Herbst 2012 mit dem Profilprojekt LebensZEICHEN. In Acht Ausstellungen in Oberösterreich wurden im Jahr 2013/14 Lebensgeschichten gesammelt. Interessierte konnten zu vorgegebenen Themenpaaren (ALT/JUNG, LÄRM/STILLE, GEBURT/TOD, GEMEINSAM/ALLEIN, KRANK/GESUND, MUT/ANGST, NÄHE/FERNE, FRUST/FREUDE) Gegenstände aus ihrem Leben einbringen und die dazugehörige Geschichte erzählen und sich auch online an den Ausstellungen beteiligen. Das Ziel dieser Ausstellungen zum Mitmachen: Hinhören und hinschauen auf das, was Menschen heute bewegt.

 

Diözesanforum 22.11.2014 © Diözese Linz
Diözesanforum 22.11.2014 © Diözese Linz
Diözesanforum 22.11.2014 © Diözese Linz

 

Wissenschaftliche Analyse des Gehörten

 

Mehr als 400 Lebensgeschichten konnten auf diese Weise gesammelt werden und sind nun auch in Buchform erhältlich. Das Gehörte und Wahrgenommene wurde von einer Forschungsgruppe der Katholisch-Theologischen Privatuniversität (KTU) Linz analysiert (Dr.in Hildegard Wustmans, Dr. Ansgar Kreutzer, Mag.a Melanie Wurzer, Martina Resch). Es wurde dazu eine qualitative Methode (Grounded Theory) angewendet, die sich sehr gut mit den Anliegen der Ausstellungen und des Zweiten Vatikanischen Konzils verbunden hat, nämlich die Wahrnehmung zu schulen und die Achtsamkeit einzuüben. Wichtig war dabei, die Anliegen der Menschen wertschätzend und ohne Wertung aufzunehmen.

 

Die Verbindung dieses Anliegens mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil vor 50 Jahren und die Bedeutung des damaligen Weges der Kirche für heute zeigte KTU-Rektor Dr. Franz Gruber in seinem Vortrag zu Beginn des Diözesanforums. Die Ermutigung, Kirche in einer pluralen Gesellschaft zu sein, gab Gruber den Delegierten mit. Er forderte die Diözese auf, sich ernsthaft zu fragen: Auf welcher Seite steht die Kirche in OÖ? Heute brauche es die Schärfung der spirituellen Fähigkeiten, der Glaubenskommunikation, der Empathie und Solidarität sowie der ästhetisch-rituellen Fähigkeiten. „Kirche ist das Instrument auf dem Weg und auf der Suche nach Gottes Gegenwart heute“, so Gruber.

 

Die in die Ausstellungen eingebrachten Dinge erzählen etwas über das Leben der Menschen. Sie waren gemeinsam mit den Geschichten Teil der wissenschaftlichen Analyse. Vier Dimensionen wurden dabei angesprochen: Identität / Existentielles, Kultur, Gesellschaft und Religiöses.

 

Diözesanforum 22.11.2014 © Diözese Linz
Diözesanforum 22.11.2014 © Diözese Linz
Diözesanforum 22.11.2014 © Diözese Linz
Diözesanforum 22.11.2014 © Diözese Linz

 

Erkenntnisse aus den Ausstellungen

 

Im Rahmen der Ausstellungen wurden Dialogräume geöffnet und immer wieder auch Verschwiegenes benannt. Bestehende Netzwerke der Kirche in der Gesellschaft wurden auch durch die Ausstellungsorte in nicht-kirchlichen Räumen aktiviert.

Die Menschen schätzten die Möglichkeit, sich zu beteiligen, kreativ ihre Anliegen in die Öffentlichkeit zu bringen und oft auch Tabuthemen zu benennen. Für manche war die Teilnahme an der Ausstellung eine Form von Therapie. Andere wollten Themen bewusst in der Öffentlichkeit zur Sprache bringen und einen Beitrag zur Aufklärung und Enttabuisierung geben. Die Ausstellungen haben die Gelegenheit geboten, Existenzielles ästhetisch zum Ausdruck zu bringen. Es entstand ein Raum, der gleichermaßen neue Sprach- und Gestaltungsräume eröffnete.

 

Ableitungen für die kirchliche Praxis

 

Die Ausstellungen forderten Menschen auf, ihre persönlichen Dinge und Geschichten im öffentlichen Raum zu präsentieren. Daraus lassen sich für Kirche und Pastoral grundlegende Handlungsmuster ableiten: Es geht um die Bereitschaft, sich auszusetzen, sich an andere Rahmenbedingungen anzupassen und daraus in der Akzeptanz von Unvollständigkeit zu lernen. Aus den Texten und Objekten lässt sich auch auf das „gemeinsame Priestertum aller Gläubigen“ verweisen. Die Förderung und Vernetzung von verschiedenen Charismen und Fähigkeiten sind klare Aufgaben für die Zukunft. Die Wertschätzung der Gläubigen und Ehrenamtlichen aufgrund ihres Glaubenszeugnisses und nicht nur aufgrund ihres Engagements wurde gefordert.

 

Sprache überprüfen, zuhören und still werden

 

Menschen sehnen sich nach Zutrauen, Respekt, Transparenz, Partizipation und Gastfreundschaft. „Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, die eigene Sprache zu überprüfen, zuzuhören, still zu werden“, regt die KTU Forschungsgruppe konkret an.

 

Klar Partei ergreifen

 

Menschen haben im Rahmen der Ausstellungen den Mut gehabt, Tabus und eigene Ohnmacht zu benennen. Dass ihnen dafür ein Raum zur Verfügung gestellt wurde, haben Teilnehmende als Wertschätzung ihrer Erfahrungen wahrgenommen. Sie wünschen sich eine Kirche, die sich öffentlich an ihre Seite stellt und Unrecht klar benennt. Es geht hier um klare Optionen.

 

Gleichberechtigt mitdenken

 

Zudem „blitzt“ in den Erzählungen immer wieder die Sehnsucht nach Ritualen bei Versöhnung, Heilung und Frieden auf. Diese Kompetenz ist in der Kirche – im Volk Gottes – vorhanden. Menschen haben zudem ein „echtes Interesse an Philosophie und Theologie“. Sie wollen aber nicht von Profis hören, was sie zu denken haben, sondern wollen „gleichberechtigt mitdenken“. Papst Franziskus wurde auffallend oft als Beispiel, Hoffnungsträger und Glaubenszeuge genannt.

Die existentiellen Erfahrungen der Menschen müssen jenseits eingespielter kirchlicher Bezüge ernst genommen werden.

 

Diözesanforum diskutiert

 

Die Erkenntnisse aus den Reflexionen und Analysen wurden beim Diözesanforum engagiert diskutiert. Eine weitere Reflexion der Erkenntnisse werden die jeweiligen Gremien für ihr je zuständiges Feld weiterführen.

 

Herausforderungen für einen künftigen Diözesanbischof

 

Im Vorfeld des Diözesanforums wurden die Delegierten gebeten, Herausforderungen zu formulieren, die sie für einen künftigen Bischof von Linz sehen. Diözesanbischof Dr. Ludwig Schwarz wird im Juni 2015 das 75. Lebensjahr vollenden und daher dem Papst seinen Rücktritt anbieten.  

Diese „Herausforderungen sollen jene unterstützten, die für die Auswahl zuständig sind, aber auch dem künftigen Bischof als Handreichung dienen“, wurde in der Einladung dazu formuliert.

 

Liebe zu Gott, Liebe zu den Menschen, Persönlichkeit, Dialog und Integration, Personalführung und Leitung sind Themenbereiche die alle SeelsorgerInnen betreffen und Anforderung und Ermutigung zugleich sind. Dabei ist von den 118 Rückmeldungen, die eingelangt sind, ein sehr integratives, herausforderndes und perspektivisches Bild gezeichnet worden.

Oft genannt wurde:

-       Liebe zu den Menschen in ihren konkreten Lebensbedingungen und Lebensverhältnissen

-       engagierter Einsatz für die Schwächeren in der Gesellschaft

-       Option für die Jugend

-       ein beteiligendes, ermutigendes Miteinander

-       kooperativer Leitungsstil

-       Wertschätzung und Dialog auf Augenhöhe

-       mutige Stimme in der Gesellschaft

-       geerdete Spiritualität

-       einfacher Lebensstil

-       zuhörend, ermutigend, MitarbeiterInnen ernstnehmend und motivierend

-       Charisma der Freude und Zukunftsperspektive

 

Diözesanforum 22.11.2014 © Diözese Linz

 

Im Rahmen der abschließenden Liturgie beim Diözesanforum wurde auch ein vertraulicher Dreiervorschlag für Bischofskandidaten ermittelt, der an den Nuntius Erzbischof Dr. Peter Stephan Zurbriggen und an Diözesanbischof Dr. Ludwig Schwarz von den Gremienvorsitzenden der Dechantenkonferenz, Priesterrat und Pastoralrat in der folgenden Woche gemeinsam mit den benannten „Herausforderungen an das Bischofsamt“ übermittelt wird.

 

Über 400 LebensZEICHEN in Buchform erschienen

 

Bei den Ausstellungen haben Menschen Geschichten aus ihrem Leben erzählt und andere an ihren Erfahrungen teilhaben lassen. Ihre ganz persönlichen LebensZEICHEN sind mutig und offen, lassen schmunzeln oder rühren zu Tränen, lassen staunen, machen nachdenklich und beeindrucken. Die mehr als 400 gesammelten LebensZEICHEN sind nun auch in Buchform erschienen. Der Bildband zu den LebensZEICHEN-Ausstellungen beinhaltet neben den Objekten und Geschichten Hintergrundinformationen zum 3-Jahres-Projekt LebensZEICHEN.

 

Diözese Linz (Herausgeberin):

Geschichten teilen – Leben teilen

Gesammelte LebensZEICHEN in Wort und Bild

aus acht Ausstellungen zum Mitmachen in ganz Oberösterreich

 

ISBN: 978-3-902330-99-4

Preis: EUR 35,00

Wagner Verlag, 2014

 

 

Diözesanforum 22.11.2014 © Diözese Linz


Fotonachweis: Diözese Linz

Foto2: Diözesanforum im Bildungshaus Schloss Puchberg
Foto10: Buchpräsentation: Geschichten und Leben teilen: LebensZEICHEN
Foto22: Bischof Dr. Ludwig Schwarz gibt nach der Abstimmung im Gottesdienst die Stimmen an die geschäftsf. Vorsitzende des Pastoralrates Mag.a Edeltraud Artner-Papelitzky

 

 

Pressemitteilung zum Download

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